No Bullsh*t-Pioniere
Erfolgreich wirtschaften mit gutem Gewissen
Auf Nachhaltigkeit zu setzen, ist ein Aufwand: Doch langfristig zahlen sich die Investitionen aus, wie Beispiele aus Wien zeigen.
Die Wirtschaft braucht Wachstum, die Stadt braucht Wachstum, der Tourismus braucht Wachstum. Um die Wiener Ressourcen dabei nicht über Gebühr zu strapazieren, setzt die Branche zunehmend auf Nachhaltigkeit. Für viele Unternehmen der Visitor Economy ist das in Zeiten hoher Energiepreise nicht nur ein Herzensanliegen, sondern eine Notwendigkeit. Die Stadt und der Wiener Tourismusverband bemühen sich, sie dabei bestmöglich zu unterstützen.
Wer Vorteile will, muss etwas tun
Zum einen sind es Flagship-Betriebe, die mit gutem Beispiel vorangehen. Seit 2004 bezieht etwa das Hotel Sacher Fernwärme bzw. Fernkälte, also heißes oder kaltes Wasser zum Wärmen oder Kühlen des Hauses. Die Energie dafür stammt aus Industrieabwärme, Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen oder der Abfallverbrennung. Wien Energie macht es mit diesem Service Betrieben leicht, klimafreundlicher zu werden. Zum anderen sind es auch kleinste Unternehmen, die in der Pionierbewegung mitmachen. Sogar ein Würstelstand hat sich ein Bio-Zertifikat geholt und verkauft nur noch lokale Ware. Alu und Plastik: gestrichen.
„Zu Beginn rechnen sich Einsparungen meist schnell“, erzählt Bertram Häupler von OekoBusiness Wien. Das Programm unterstützt Unternehmen seit 1998 dabei, umweltschonende Maßnahmen umzusetzen und sich dafür zertifizieren zu lassen. Über 1.600 Betriebe haben sich bereits beraten lassen und insgesamt beindruckende Ergebnisse erzielt. „Wer langfristig Vorteile möchte, muss natürlich etwas dafür tun“, ergänzt Häupler. „Je länger Unternehmer:innen bei OekoBusiness Wien mitmachen, desto eher wird Nachhaltigkeit zur echten Unternehmensstrategie und auch bei Investitionen mitgedacht. Da sehen wir den größten Impact.“ Auch Museen, Theater, Kongresszentren – Stichwort Green Events – und der Handel setzen zunehmend auf Nachhaltigkeit. Am Wiener Westbahnhof ist IKEA ein Beispiel: keine Parkplätze, dafür U-Bahn-Anschluss, Photovoltaik, Wärmepumpe, CO2-neutrale Lieferung, ein begrüntes Gebäude mit 160 Bäumen, und ein Eventbereich am Dach, wo sich Gäste und Wiener:innen ohne Konsumzwang treffen können. Und warum setzen immer mehr andere Unternehmer:Innen der Visitor Economy freiwillig auf Nachhaltigkeit?
Es gibt ein Publikum dafür
Weil Tourismus, erklärt Michaela Reitterer vom Boutiquehotel Stadthalle, von der Bevölkerung in Zukunft nur akzeptiert werden würde, wenn er an Nachhaltigkeit zulegt. Deshalb werde das sehr zukunftsweisend sein. „Wir haben viel Aufwand betrieben, um das erste Stadthotel mit Null-Energie-Bilanz und das 1. SDG-Hotel zu werden: Durch Photovoltaik, Solarenergie und den Verzicht auf große Energiefresser. Aber auch mit einem umfassenden BIO-Konzept und Upcycling-Zimmern sind wir Vorreiter. Und wer bei uns mit Rad oder Zug anreist, erhält minus zehn Prozent!“ Es gäbe ein Publikum, das das zu schätzen wissen. In dieselbe Kerbe schlägt Astrid Kahl-Schaban vom Hotel Gilbert: „Neben einer Grünfassade und einem begrünten Flachdach haben wir viele Pflanzen im Hotel. Das wirkt sich positiv auf die Umgebungstemperatur aus. Auch die Reduktion von Abfall und Biokosmetik sind Themen bei uns.“ Das sei ein finanzieller Aufwand, der nicht so kurzfristig zurückzuverdienen wäre, aber: „Wir können zeigen, dass man erfolgreich nachhaltig wirtschaften kann. Es gibt ein Publikum, das bereit ist, etwas mehr für ein Zimmer zu zahlen, wenn eine Idee dahintersteckt.“
Green Events: Ein Vorteil im Marketing
In seiner beliebten Bar, erzählt Rudi Konar von der Strandbar Herrmann, habe das Bemühen um mehr Effizienz die ganze Mannschaft beflügelt. Man habe Spaß am nachhaltigen Wirtschaften und alle Mitarbeiter:innen ins Boot geholt, weil das wichtig sei: „So entstand die Idee, das Wasser aus den Waschbecken zur Pissoir-Spülung zu nutzen. Wir fragen die Leute, ob sie einen Strohhalm in ihren Drink wollen. Ein Drittel unseres Strombedarfs produzieren wir mit Photovoltaik. Im Lager regeln Bewegungsmelder das Licht, am Jahresende versteigern wir die Liegestühle für den guten Zweck, die Reinigungsmittel kommen im Großgebinde, das wieder abgeholt wird. So fällt kein Plastikmüll an. Ab dem zweiten Jahr erhalten Mitarbeiter:innen eine Jahreskarte der Wiener Linien. Ich glaube das Wichtigste ist der Lerneffekt, dass man sich neben den eingesetzten Ressourcen seine Kosten bewusst macht. Dann wird jede:r Unternehmer:in Richtung Einsparung gehen. Ob uns das im Marketing einen Vorteil bringt? Wahrscheinlich. Wir haben das Umweltzeichen und eigenen uns für Green Events.“
Zuerst fragen, was es bringt
Ein größerer Betrieb, der voll auf Nachhaltigkeit setzt, ist das Restaurant Luftburg-Kolarik im Prater. Mit 1.200 Sitzplätzen ist es das größte vollzertifizierte Bio-Restaurant der Welt und erhielt 2023 den EU Organic Award als „Best Organic Restaurant“. Zu Beginn wollte man einfach etwas zu einer besseren Gesellschaft beitragen, wie Paul Kolarik erzählt, „weil es keinen Planeten B gibt“. 2019 habe man dann komplett auf Bio-Produkte umgestellt. Und auch sonst ist seit damals viel passiert.
Bereits umgesetzte Maßnahmen sind die Evaluierung und Optimierung der Portionsgrößen sowie des Abfalles, Umstellung auf ein österreichisches Smart-Home-System, eine eigene Photovoltaikanlage, Bienenvölker auf dem Dach und Platanen im Garten, die im Sommer Schatten spenden. 2025 ist ein Umbau geplant. Der gesamte Mitarbeiter:innen-Bereich wird neu gestaltet. Ebenso werden die Spüle und die Anlieferung optimiert, um für verbesserte Abläufe zu sorgen und Energie zu sparen. Die Kapazität der PV-Anlage wird erweitert, Heizen und Kühlen erfolgt in Zukunft mit der Kraft des Wassers – dafür sorgt eine Tiefenbohrung. Somit ist die Luftburg „raus aus Gas“.
Förderungen und Bürokratieabbau
„Wir fragen uns immer wieder: was bringt es, nicht zuerst was kostet es. Ökonomie, Ökologie und soziale Verantwortung sind uns sehr wichtig“, erklärt Kolarik. „Natürlich sind die Investitionen, die wir jetzt tätigen, kostenintensiv – allerdings überwiegt auf lange Sicht absolut der Nutzen. Unser Zugang zum Thema ist, dass der unternehmerische Erfolg nicht darunter leiden darf.“ In einem Punkt stimmen alle Unternehmer:innen überein: Sie wünsche sich Förderungen – und weniger Regeln statt mehr. Denn zu viel Bürokratie und Behördenauflagen könnten den Umstieg auf Nachhaltigkeit bremsen, fürchten sie.